Handwerk, Hand – Werk, mit den Händen werken … vielleicht liegt es an der Assoziation, welche diese Wort-Kombination in vielen Menschen auslöst, vielleicht aber auch an dem Verständnis vom eigenen Schaffen (nur) mit den Händen. Genau weiß ich es nicht, aber das Handwerk ist zukunftsträchtiger als so mancher „theoretischer“ Berufszweig es je werden kann und vor allem zukunftsträchtiger, als Viele glauben!

 

Wenn wir uns einmal ansehen was Künstliche Intelligenz eigentlich bedeutet und wie der aktuelle Stand ist, dann hat das Handwerk doch sehr gute Karten – noch.

 

Vereinfacht gesagt ist die zentrale Bedeutung von Künstlicher Intelligenz, Maschinen dazu zu ermächtigen wie Menschen zu denken. Die Interaktion zwischen Mensch und Maschine soll dadurch nicht nur erleichtert werden, sondern vor allem sollen computergestützte Systeme in der Lage sein, wie Menschen miteinander (und mit uns) zu interagieren. Was nun aber schnell in Ohnmachtsphantasien mündet und wie „die Weltherrschaft der Maschinen“ klingt hat im Grunde aber primär das Verbessern unserer Lebensqualität im Sinn.

 

KI schlägt menschliche Kompetenz in gewissen Bereichen bereits jetzt schon um ein hundertfaches! So ist z.B. die Mustererkennung von Systemen, welche genau darauf „trainiert“ sind, vielfach besser als es die menschliche Sinneswahrnehmung jemals sein könnte. Das Ergebnis kann z.B. sein dass KI Krebs auf Röntgenbildern besser erkennt, Panikverhalten von Menschenmassen voraussagen kann, die Buchhaltung voll automatisiert abläuft, Produktionsprozesse sowie die Werkstatteinrichtung (das heißt auch die Laufwege und andere Anstrengungen für Mitarbeiter) mit Hilfe von KI stark optimiert werden können.

 

Auch unser berühmter „siebter Sinn“, kann im Grunde auf Mustererkennung zurückgeführt werden. Wenn Ihnen im Straßenverkehr beispielsweise etwas irgendwie komisch vorkommt, liegt das daran, weil Sie bereits zig tausende ähnliche Situationen erlebt haben, diese in genau diesem Moment mit der aktuellen Situation abgleichen und eben diverse Diskrepanzen feststellen – meist aber leider nicht genau definieren können, was gerade „anders“ ist. Was Sie aber sicher wissen ist, dass gerade etwas, irgendwie anders ist und dadurch evtl. eine Gefährdung für Sie oder andere entsteht. Das haben Sie dann im Gefühl.

 

KI-Systeme sind in der Lage dieses „anders“ auch genau zu definieren, da sie – im Gegensatz zu uns Menschen – vollen Zugriff auf alle Informationen zu der aktuellen Situation haben, und nichts im Unterbewusstsein ablegen.

 

Selbstverständlich muss allerdings an dieser Stelle hinzugefügt werden, dass alle derzeit mir bekannten KI-Systeme nicht annähernd so viele Informationen gleichzeitig verarbeiten können wie das menschliche Gehirn – das Verkehrsbeispiel dient daher nur zur Veranschaulichung.

 

Dennoch geht es darum, dass Berufe wie zum Beispiel „Buchhalter/in“ in den nächsten Jahren völlig verschwinden werden.

 

Buchempfehlung zum Thema:

Disrupt Yourself – Vom Abenteuer, sich in der digitalen Welt neu erfinden zu müssen

Künstliche Intelligenz verstehen: Grundlagen – Use-Cases – unternehmenseigene KI-Journey

 

Aber kommen wir zurück zum Handwerk.

 

Was passiert, wenn wir zum Beispiel die Begrifflichkeiten ändern?! Wenn aus Handwerk, Denkwerk wird. Jedem per Hand geschaffenen Werk geht schließlich ein Denkwerk voraus. Zwingend. Jeder der selbst eine Lehre gemacht oder gar die Meisterprüfung abgelegt hat weiß das kein Werk, ohne reifliches vorheriges Denken entstehen kann. Gestalterische, in gewisser Weise auf Intuition basierende Spielarten einmal ausgenommen.

 

Wenn wir also davon ausgehen das der Prozess des Denkens (also das Konstruieren, Planen, Zeichnen und Aufteilen in Fertigungs-, Montage-, und/oder Wartungsschritte) einer tatsächlichen Handlung immer vorausgeht, ist es umso unverständlicher warum Handwerker häufig „nur“ als Praktiker und Macher bezeichnet werden und noch unverständlicher, warum die Robotik häufig als Konkurrenz zum Handwerk verstanden wird. Logisch ist, dass Roboter verschiedene Schritte wie Fertigungsschritte, Montageschritte & Bearbeitungsschritte ausführen, aber sie werden – zumindest in absehbarer Zeit – nicht in der Lage sein, aufgrund einer Problemstellung, Werkstücke inkl. Hilfswerkstücke wie Leeren und Schablonen zu erstellen und dabei die Fertigung sowie die Montage und ggf. ganze Wartungsabläufe zu berücksichtigen – das sie dies aber auch gar nicht müssen, dazu kommen wir später noch. Diese „Denkleistung“ ist noch viel zu komplex als das sie einfach durch einige Zeilen Code abgebildet werden kann.

 

Die erste Komponente, welche ein Gewerk also weniger anfällig gegen disruptive KI-Einflüsse macht, ist der Grad und die Komplexität an Problemstellungen welche gelöst werden müssen um ein Werk schließlich fertigen, Montieren und auch Warten zu können.

 

Wenn wir nun auf die Aussage der Oxford Professoren Carl Benedikt Frey & Michael A. Osborne zurückgehen, welche in ihrer Studie 2013 zur Verdrängung von Berufen durch die „Computerisierung“, über 700 Berufe inkl. ihrer errechneten Wahrscheinlichkeit zur Verdrängung aufgelistet haben, dann macht dieser Grad an komplexen und nötigen Lösungsfindungsstrategien viele Handwerksberufe nur schwer ablösbar.

 

 

Komponente #1: Grad an Komplexität der Problemstellungen und Lösungswegen.

 

 

Ein weiterer, wichtiger Aspekt, der gerade auch in der „Frey-Studie“ viel Beachtung findet, ist der Grad an zwischenmenschlicher Interaktion. Es verwundert nicht das auf den vordersten Plätzen der Studie (also die Berufe mit der geringsten Wahrscheinlichkeit verdrängt zu werden) nur Berufe sind welche ein hohes Maß an zwischenmenschlicher Interaktion und Empathie erfordern. Erholungstherapeut, Masseur, Psychotherapeut etc.

 

Wenn ein Gewerk also viel Zwischenmenschliches beinhaltet, dann ist die Chance das dieses durch die Digitalisierung und den Einsatz von KI völlig verändert oder verdrängt wird, nur sehr gering. Schließlich gehen wir zu dem Friseur unseres Vertrauens nicht nur weil er oder sie die Technik des Haareschneidens, perfekt beherrscht, sondern weil wir ihm/ihr vertrauen und uns dank einem Gespräch, der Stimmung im Salon und der auf uns gerichteten Aufmerksamkeit in einer Wohlfühlsituation befinden.

 

Ähnlich verhält es sich in anderen Gewerken, der Schlosser der seine Kundschaft ausgiebig berät. Der Instrumentenbauer, der auf die ausgefallensten Wünsche von Musikern eingehen kann. Der Tischler mit Gespür für den Möbelstil des Kunden. Der GALA-Bauer welcher nicht nur den Geschmack des Kunden trifft, sondern zum Beispiel auch dessen Sicherheitsbedürfnis mit versteckten Zäunen bedient. Der Maler mit dem perfekten Gespür für die Gestaltung von Wohn und Arbeitsräumen usw. usw.

 

Wir sind alles Menschen und ob wir wollen oder nicht, als soziale Wesen ist es uns wichtig, in eine gewisse soziale Interaktion zu treten – und das ist auch gut so.

 

 

Komponente #2: Maß an Zwischenmenschlichen.

 

 

 

Die oben bereits angesprochen intuitive Gestaltung eines Werkes, also die Form und Farbwahl, sind ein weiterer starker Baustein vieler Gewerke.

 

Wenn wir festhalten, dass es bis heute nicht möglich ist, „Inspiration“ mit Hilfe von Künstlicher Intelligenz nachzubilden, wird deutlich wie unfassbar komplex menschliches Handeln letztlich doch ist.

 

Der kreative Schaffensprozess selbst wird zwar digital gerne unterstützt (Ihr T-Shirt oder das neue Regal können sie bequem online selbst gestalten) aber die Eingebung und Inspiration zur Gestaltung bleibt fest in menschlicher Hand.

 

Vielen Menschen fällt es schwer zu erläutern, was die Bezeichnung „Muse“ (auf eine andere Person bezogen) bedeutet, ganz zu schweigen davon zu erklären, wie sie entsteht. Man kann sich also vorstellen, wie schwer es ist so etwas mit Hilfe von Algorithmen zu erzeugen.

 

Erläuterung: Als Muse wird in diesem Kontext eine Person bezeichnet, welche eine andere Person (meist einen Künstler) zu kreativen Leistungen inspiriert.

 

 

 Komponente #3: Künstlerische Freiheit und Inspiration.

 

 

Warum KI-Systeme aber auch kein ganzheitliches Gewerk ersetzen müssen liegt auf der Hand. Ich bin der festen Überzeugung, dass sich das Handwerk in den nächsten Jahren sehr stark verändern wird. Allein der Prozess des Aufmaßnehmens und der Informationsbeschaffung wird jetzt schon (vor allem im B2C Bereich) durch die Einbindung des Endkunden digital abgebildet (Siehe Thermondo, Mycs und Co.).

 

Wenn der Kunde selbst das Aufmaß macht, ist dieser zwar auch selbst schuld, wenn Fehler entstehen, aber dennoch ist dies unangenehm für alle Beteiligten, so dass viele Betriebe für das Aufmaß lieber (noch) selbst vor Ort sind.

 

In Zukunft wird aber auch dieses „Problem“ umgangen werden können indem in diversen Datenbanken Baupläne hinterlegt sind und 3D-Kamera-Vermessungen im Bestand oder bei der Gebäudefertigstellung die geplanten und die tatsächlichen Maße abgleichen und intelligente Planungstools im Anschluss z.B. die Einbauküche oder ganze Einrichtungen mit den exakten Maßen und anderen Informationen über die neuen Bewohner  (Einkommen, Kaufverhalten, präferierte Möbeldesigner etc.) in Sekunden schnelle vorschlagen, die Fertigungszeichnungen ausspucken und diese an den Partner-Fertigungsbetrieb übermitteln.

 

Wir sollten uns also unsere Stellung im Handwerk durch konsequentes Weiterentwickeln unserer eigenen Kompetenzen und permanentes Hinterfragen unserer Prozesse und Abläufe wahren und stets offen sein für jegliche Veränderungen in unseren Berufen.

 

Die Prozesskette im Handwerk wird sich in Zukunft in sehr viel kleinere Schritte aufgliedern und für jeden dieser Schritte werden spezialisierte Dienstleister auch einen Markt finden. So unvorstellbar es auch ist das ein Beruf sich innerhalb weniger Jahre komplett verändern wird, so real ist dies heute schon.

 

Der Metallbauer wird seine Kompetenzen dahingehend erweitern müssen, Schweiß-, und Montageroboter programmieren zu können.

 

Der Elektrotechniker wird vermehrt mit Problemstellungen bei der Gebäudeautomation zu tun bekommen und mit Systemen wie KNX, LOXONE, diversen Fernwartungstools und anderen Systemen arbeiten müssen.

 

Die Bäcker und Konditoren werden (ja die wird es auch trotz Bonpflicht noch geben) von ihren KI Systemen über das Wetter, Veranstaltungen und die Wahrscheinlichkeit des Absatzes von Produkten informiert werden und sich an die Empfehlungen von der KI halten, wie viele Produkte einer Sorte produziert werden sollten.

 

Der Tischler wird ein Abo bei diversen Vermessungsdatenbanken und Aufmaß-Dienstleistern abschließen können.

 

Der Augenoptiker wird zum Stilberater und der Kraftfahrzeugtechniker wird sich mit Cybersecurity fürs Auto auseinandersetzen müssen.

 

Es bleibt also abschließend zu sagen: Das Handwerk ist genauso wenig immun gegen KI & Digitalisierung wie gegen jeden anderen Fortschritt auch, es liegt nur an uns was wir daraus machen.

 

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